Wegebenennung

Einweihung vom Ágnes-Rózsa-Weg

Alle Fotos dieses Beitrags sind von Emmi Heckel

Am Freitag, den 19. April 2024, 14.30 Uhr
fand die gemeinsame Veranstaltung vom Bunten Tisch mit der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg und der Stadt Nürnberg statt.
Julius-Loßmann-Straße, 90469 Nürnberg
bei den Gedenk- und Informationstafeln zum ehemaligen KZ-Außenlager
der Siemens-Schuckertwerke in Nürnberg
Hier steht die Einladung als pdf zur Verfügung.

Am 19. April 2024 war es soweit: nachdem der Verkehrsausschuss der Stadt Nürnberg im Oktober 2023 den Beschluss zum Ágnes-Rózsa-Weg gefasst hatte, wurden nun die Schilder für den Weg angebracht und der Weg eingeweiht.

Trotz des verregneten Wetters fand die gutbesuchte Veranstaltung (ca. 60 Teilnehmer*innen) in einem würdevollen Rahmen im ersten Teil direkt an den bereits gut bekannten Stelen des früheren KZ-Außenlagers und im zweiten Teil am Beginn des Weges in der Julius-Loßmann-Straße statt. Die Veranstaltung war vom Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd und der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg vorbereitet worden. Die Stadt Nürnberg beteiligte sich als dritter Veranstalter an diesem Termin, der fast fünf Jahre nach der Einweihung der Stelen stattfand.

Viele Regenschirme zierten das Bild, als Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule, die das Programm moderierten, die Anfangsfrage an Dr. Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände richteten. Sie baten ihn um Insiderwissen zu dem früheren KZ-Außenlager. Dr. Schmidt leitete ein: „Trotz ihrer Verzweiflung und der menschenverachtenden Lebensbedingungen, unter denen sie hier im KZ-Außenlager der Siemens-Schuckert-Werke gefangen gehalten wurde, war Ágnes Rózsa ein mutiger Mensch. Dass nach ihr heute ein Weg unmittelbar beim Gelände des KZ-Außenlagers benannt wird, ist eine späte, aber eine sehr schöne Würdigung …“. Er wies darauf hin, dass an keinem anderen Ort in Nürnberg so direkt, aber zunächst auch so wenig sichtbar, mit Auschwitz verbunden sei wie im Nürnberger Süden. Alexander Schmidt weist dann auf die Rolle der Siemens-Schuckertwerke hin: „Es war den Siemens-Schuckertwerken letztlich gleichgültig, woher die Arbeitskräfte kamen, die sie für die Rüstungsproduktion brauchten. Als sie im Mai 1944 den Bauantrag für das Lager hier gegenüber dem Südfriedhof stellte, war noch nicht klar, wie es belegt sein würde und war schlicht als „Barackenlager der Siemens-Schuckert-Werke“ bezeichnet.“ Er fährt fort: „Siemens nahm an Arbeitskräften, was man bekommen konnte. Die Jüdinnen aus Auschwitz waren nur eine Gruppe von zahlreichen Fremd- und Zwangsarbeitern und –arbeiterinnen, die bei Siemens und den vielen anderen Nürnberger Betrieben arbeiten mussten. Dass diese nicht freiwillig in Nürnberg bei Siemens-Schuckert arbeiteten, ist ebenfalls schon aus dem Bauplan ablesbar.“ Zwar seien die Verhältnisse im Vergleich zu Auschwitz-Birkenau im „Südfriedhoflager“ besser gewesen, aber: „die Frauen und Mädchen waren weiterhin gefangen im System der Konzentrationslager und den Regeln unterworfen, die in diesem System letztlich auch in den Außenlagern herrschten.“ Mehrfach zitierte er aus der deutschen Übersetzung des Tagebuchs von Ágnes Rózsa, das im Jahr 2006 im Verlag testimon erschien und würdigte dabei auch Gerhard Jochem und Monika Wiedemann, die maßgeblich für die deutsche Ausgabe „Solange ich lebe, hoffe ich“ verantwortlich sind. Am Ende seines Beitrags vermerkt Dr. Schmidt: „Nach Ágnes Rózsa wird heute hier, am Ort ihrer Haft in Nürnberg, ein Weg benannt. Endlich im Jahr 2024. Sie hat dies mehr als verdient.“

Im Anschluss konnten die Schülerinnen und Schüler den Oberbürgermeister Marcus König begrüßen. Er führte u. a. aus: „Die Benennung eines Wegs nach Ágnes Rózsa in unmittelbarer Nähe zu dem Ort, an dem sie so viel Grauen zu ertragen hatte, ist ein wichtiges Zeichen der Erinnerungskultur. Es hilft ein Bewusstsein für das Unrecht zu schaffen, das sich vor 80 Jahren an diesem Ort zugetragen hat.“ Seinen Worten konnte dann entnommen werden, dass es durchaus weitere Wege als Erinnerungsorte in der Umgebung geben könne. An seine eigene Generation wie aber auch die der Schülerinnen und Schüler gewandt sagte OB König: „Wir und Ihr seid nicht schuld,“ aber alle hätten die Verantwortung, die Namen nicht zu vergessen.

Dr. Michael Fraas

Die Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule hatten sich bereits im Ethikunterricht mit dem früheren KZ-Außenlager und Ágnes Rózsa beschäftigt. Von daher wussten sie auch dass Dr. Michael Fraas in seiner Zeit als Wirtschaftsreferent die Wegbenennung in die Wege geleitet hatte. Sie fragten Dr. Fraas nach seinem Beweggrund. Réka Lörincz hatte mit ihm, so Dr. Fraas, einige Male über so einen Erinnerungsort gesprochen. Für den notwendigen Hintergrund hatte dieser von ihr das Tagebuch von Ágnes Rózsa sowie die Dokumentation zum früheren KZ- Außenlager erhalten und intensiv gelesen. Gerade das Tagebuch habe ihn sehr bewegt. Die präzisen Formulierungen im Buch während der Zeit der Zwangsarbeit seien außergewöhnlich.

Frank Hotze

In der Kurzfragerunde steuerten die Schülerinnen und Schüler nun auf Frank Hotze aus dem Vorstand vom Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd zu. Er spann den Bogen von diesem Weg zu weiteren Wegen: „Für uns ist die Entscheidung der Stadt Nürnberg für diese Wegbenennung eine wichtige Ergänzung zu den seit 2019 stehenden Stelen und wir unterstützen den Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an die Stadt, weitere Wege in diesem Umfeld nach Menschen zu benennen, die in diesem Lager gefangen gehalten wurden.“

Dr. Andrea Heilmaier

Nächste in der Fragerunde war Frau Dr. Andrea Heilmaier, die aktuelle Wirtschaftsreferentin. Sie wurde gefragt, ob sie sich weitere Wegbenennungen vorstellen könne und wie das Verfahren dazu sei. Das Verfahren, so Dr. Heilmaier, mit Prüfung u. a. im Stadtarchiv muss erfolgen, sobald der vor kurzem eingegangene Antrag stadtintern auf dem Weg gebracht wird. Für die Wirtschaftsreferentin ist mit der Benennung des Wegs nach Ágnes-Rózsa ihr Name an dem Ort, der für immer untrennbar mit ihr verbunden sei, sichtbar.

Nadja Bennewitz und Réka Lörincz

Nach den drei Kurzinterviews baten die Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule die Anwesenden sich nun in Richtung des Weges zu begeben. An dem Pfosten mit dem noch verdeckten Schild für den Weg lehnte eine Staffelei mit einer Tafel zu Ágnes Rózsa, die im Jahr 2022 im Rahmen einer Ausstellung des Bunten Tisch im Kulturladen Gartenstadt zu sehen war. Umrahmt wurde die Tafel von Nadja Bennewitz und Réka Lörincz. In einer szenischen Betrachtung über Ágnes Rózsa und ihre Aufseherinnen brachten sie den Anwesenden die Situation in dem damaligen KZ-Außenlager näher. Nach einigen Eckdaten zur Person Ágnes Rózsa stellten sie im Wechsel Tagebuchauszüge von Ágnes Rózsa den Aussagen der Aufseherin Anni E. gegenüber, eine Frau, die auch nach dem Krieg noch davon überzeugt war, nichts Unrechtes getan zu haben. Auch ohne den Regen an dem Tag, können einem solche Aussagen einen eiskalten Schauer am Rücken verursachen.

Nach kurzem Innehalten war es dann so weit. Etliche Anwesende beteiligten beim Herunterziehen der Husse und somit der eigentlichen Wegeinweihung.

Karl Freller

Das Schlusswort ging an Karl Freller, dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Die Schülerinnen und Schüler fragten ihn, wie wichtig ihm die Erinnerungsarbeit ist und welche Bedeutung er ihr in der heutigen Zeit beimisst. Herr Freller verwies auf über 90 Außenlager des KZ Flossenbürg. So viele Lager wie auch das Lager am Südfriedhof waren nicht unsichtbar. Zäune, Türme und Bewachung seien sichtbar gewesen. Auch heute müssen immer wieder darauf hingewiesen werden und deswegen seien solche Erinnerungsorte wie dieser Weg für die Gegenwart und Zukunft wichtig. Neben der Wichtigkeit weiterer Wegbenennungen verwies er auch auf die Tatsache, dass es in Nürnberg Wege und Straßen geben könnte, die nach wie vor nach historisch belasteten Persönlichkeiten benannt sind.

Die Schülerinnen und Schüler bedankten sich bei den Anwesenden und Beteiligten und sprachen sich abschließend aus aktuellem Anlass gegen Rassismus und Faschismus aus.

Trotz des Regens gab es noch einige Gespräche unter den Anwesenden, die aus der Nachbarschaft aber auch anderen Stadtteilen kamen. In Gedanken waren nach der Veranstaltung auch die beiden anwesenden Vorstände der Schuckert Wohnungsgenossenschaft. Der Blick auf die jetzige Bebauung in Kontrast mit dem gehörten Hintergrund zum früheren KZ-Außenlager der Siemens-Schuckertwerke fiel ihnen nicht ganz leicht.

Danke an die beteiligten Schülerinnen und Schüler der V1 der Georg-Holzbauer-Schule – Kulturladen Gartenstadt für die Technik und Unterstützung – St. Ludwig, Kirche im Nürnberger Süden für Technik – Wohnungsgenossenschaft „Sigmund Schuckert“ eG


Die Benennung eines Weges nach Ágnes Rózsa bringt einen wichtigen Erinnerungsort in den Stadtteil. Gleichwohl waren wir vom Bunten Tisch der Meinung, dass es weitere Menschen gibt, die zu Zwangsarbeit in dem Lager waren, die ebenso in Erinnerung bleiben sollten. Réka Lörincz hat mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Überlegung aufgegriffen und bei der Stadt einen Antrag eingereicht, den wir unterstützen.

Hier der Antrag als pdf.


Am 26. Oktober 2023 erschien in den Nürnberger Zeitungen ein Beitrag unter dem Titel „Hunger und Elend im Lager“. Darunter war vermerkt: „GARTENSTADT Neuer Straßenname erinnert an die jüdische Zwangsarbeiterin und Autorin Ágnes Rózsa“. Der Artikel selber beschäftigte sich sehr intensiv mit Ágnes Rózsa, zitierte dabei aber vorrangig aus einer Entscheidungsvorlage des Verkehrsausschusses des Nürnberger Stadtrates. Dass die Zeilen aus der Vorlage zitiert wurden und wie es überhaupt zu dem letztendlichen Beschluss gekommen ist – keine Zeile.

Schon vor geraumer Zeit hatte Réka Lörincz, Mitglied der Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Intension einer Straßenbenennung nach Ágnes Rózsa insbesondere beim dem früheren Wirtschaftsreferenten Michael Fraas gestartet. Am Rande der Parkeinweihung vom NSU-Opfer Abdurrahim Özüdoğru im April 2023 konnten Réka Lörincz und Frank Hotze, Vorstandsmitglied vom Bunten Tisch diesen Vorschlag noch einmal ins Gespräch bringen. Dadurch wurde von Herrn Fraas das Prüfverfahren auf den Weg gebracht und im Oktober der Beschluss im Verkehrsausschuss gefasst. Es ist allerdings keine Straße geworden, sondern lediglich ein Weg, der direkt am früheren Gelände des KZ-Außenlagers angrenzt und neben dem früheren Roxy-Kino Richtung Paumannstraße führt.

Es wird nun Gespräche geben, um die Einweihung des Weges zu überlegen und planen.

Um den Hintergrund zur Entstehung des Beschlusses zu verdeutlichen wurde am 2. November von der Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd eine Pressemitteilung verteilt.