Wegebenennung

Einweihung des Magda-Watts-Weges

Die Fotos von der Veranstaltung stammen, wenn nicht anders vermerkt von Natallia Madziyenkava.

Foto: Ralph Hunger

Die Wegeinweihung fand am 17. Juli 2025 um 17 Uhr an der Ecke Julius-Loßmann-Straße/Saarbrückener Straße statt. Zahlreiche Interessierte waren gekommen und gaben der Wegeinweihung einen würdigen Rahmen. Viele der Anwesenden gaben uns eine positive und wertschätzende Rückmeldung. Das motiviert für die weitere Erinnerungsarbeit.

Frank Hotze begrüßt zur Veranstaltung

Ein seiner Begrüßung dankte Frank Hotze, Vorstandsmitglied vom Bunten Tisch zunächst Réka Lörincz, die den von uns unterstützten Antrag zur Wegbenennung über Bündnis 90/Die Grünen in den Stadtrat eingebrachte. Insbesondere begrüßte er Mitglieder des ungarischen Kulturvereins und auch den Konsul Gergely Juhász vom ungarischen Generalkonsulat in München. Auch Vertreterinnen und Vertreter aus Betriebsratsgremien der Nürnberger Siemensbetriebe waren in Begleitung von IG Metall Sekretären gekommen.

Ein besonderer Dank ging an die Wohnungsgenossenschaft Sigmund Schuckert, für die Geländenutzung und die bereitgestellten Getränke, an Gemüse-Pirner für kleine Leckereien und die Stromversorgung, an die Bäckerei Woitinek für die kleinen Brezn und Käsestangen, die Kaffeeversorgung durch St. Ludwig sowie die Unterstützung des Kulturladens Gartenstadt.

Auch wenn die Wirtschafts- und Wissenschaftsreferentin Dr. Andrea Heilmaier in den „Nachrichten aus dem Rathaus“ Nr. 817 vom 21.07.2025 zitiert wird, musste sie sich kurzfristig entschuldigen.

Oberbürgermeister Marcus König dankte in seinem Grußwort allen, die sich für die Wegbenennung eingesetzt haben. „Unsere Stadtteile und insbesondere die Stadtteile, in denen es beispielsweise Zwangsarbeiterlager, KZ-Außenlager oder Deportationsbahnhöfe gab, sind wichtige Orte für die Erinnerungsarbeit.“ Er verwies darauf, dass die historische Verpflichtung, die Nürnberg hat, keine Aufgabe sei, die eine Stadt oder Stadtverwaltung alleine stemmen könne und fährt fort: „Da braucht es ja Partnerinnen und Partner, Vereine, Runde Tische, auch Kirchengemeinden, Parteien, und, und, und.“

OB Marcus König

Ferner erkennt OB König an, dass aus den Stadtteilen selber die Anregungen für Straßenbenennungen oder Gedenkaktionen kommen. Die Erinnerung an die NS-Zeit diene dazu die Menschen aufzuklären und zu verhindern, dass solche Verbrechen wieder geschehen. Das sei ein Teil der politischen Bildung. Ein besonderer Dank ging an die beteiligten Schülerinnen und Schüler: „Wir werden heute erfahren, was für eine Frau Magda Watts war und insbesondere freut es mich, dass heute auch die Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule Teile ihrer Biografie vermitteln werden. Euch, liebe Schülerinnen und Schüler, meinen ganz, ganz herzliches Dankeschön. Wir brauchen Euch, ihr seid die Zukunft.“

Dem Beitrag vom Oberbürgermeister folgte das Grußwort von Jo-Achim Hamburger, dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg.

Réka Lörincz

Réka Lörincz als Mitglied der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg widmete ihren Beitrag dem Thema „Stadtteile als Ort der Erinnerungsarbeit“. Sie sprach von einem „Gänsehautmoment“. Als jemand, der selbst aus Ungarn stamme, berühre sie die Einweihung des Magda-Watts-Weges tief. Zur Erinnerung im Stadtteil vermerkt sie: „Wir verankern diese Erinnerung ganz konkret hier, im Herzen eines Stadtteils. Und genau das ist entscheidend: Stadtteile sind nicht nur Orte, an denen wir wohnen – sie sind Orte, an denen sich unsere Geschichte, unsere Gegenwart und unsere Zukunft begegnen. Und wir dürfen, ja wir MÜSSEN diese mitgestalten.

In der Gartenstadt und in den Siedlungen Süd erleben wir, wie zivilgesellschaftliches Engagement Erinnerungsarbeit lebendig macht. Der Bunte Tisch Gartenstadt ist dafür das beste Beispiel. Menschen kommen zusammen, hören zu, widersprechen, gestalten – mit Herz, mit Haltung und mit Nachdruck.“ Auch wenn die Wegeinweihung ein symbolischer Akt sei, können diese wirken. Réka Lörincz schließt ihren Beitrag: „Ich wünsche mir, dass der Magda-Watts-Weg für viele Menschen ein Weg der Erinnerung wird – und eine tägliche Mahnung daran, was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält: Menschlichkeit, Solidarität, Vielfalt und das mutige Engagement vor Ort.“

Dr. Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände stellte in seinem Redebeitrag das KZ-Außenlager der Siemens-Schuckertwerke, in dem Magda Watts Lagerinsassin war, in den Mittelpunkt und beginnt mit der Verortung: „An keinem anderen Ort ist Nürnberg so direkt, aber zunächst auch so wenig sichtbar mit Auschwitz und damit mit dem Holocaust verbunden wie hier im Nürnberger Süden. Hier waren die Nürnberger und Nürnbergerinnen auf einmal direkt mit ungarischen Jüdinnen konfrontiert, die aus dem KZ Auschwitz kamen. Die 550 jüdischen Frauen und Mädchen, die hier von Oktober 1944 bis März 1945, also nicht einmal ein Jahr lang gefangen waren, konnten nicht unbemerkt bleiben. Passanten konnten das Lager und die Insassen sehen.“

Dr. Alexander Schmidt

Dr. Schmidt wies darauf hin, dass die Aufseherinnen aus Nürnberg kamen und die weiblichen Häftlinge schikanierten, schlugen und vieles mehr. Die Leitung der Nürnberger Siemens-Schuckertwerke habe die Insassen selber in Auschwitz ausgewählt. „Es war den Siemens-Schuckert-Werken letztlich gleichgültig, woher die Arbeitskräfte kamen, die sie für die Rüstungsproduktion brauchten. Siemens nahm an Arbeitskräften, was zu bekommen war.“ Als im Mai 1944 der Bauantrag für das Lager gestellt wurde, sei noch nicht klar gewesen, wie es belegt sein würde, sondern war schlicht als „Barackenlager der Siemens-Schuckertwerke“ bezeichnet. Die ursprüngliche Planung für das Lager sei so zwar nie vollständig umgesetzt worden, aber schließlich ab Oktober 1944 mit den Jüdinnen aus Ungarn belegt, die hier schliefen und teils hier im Lager, teils aber auch bei den Siemens-Schuckertwerken in der Nürnberger Südstadt arbeiten mussten. Aufgrund des Bauplans mit Lagerzaun, Wachtürmen etc. sei klar, dass die jüdischen Frauen und Mädchen nicht freiwillig für Siemens-Schuckert arbeitete. „Siemens hatte die Frauen und Mädchen aus Auschwitz angefordert und holen lassen, bezahlte die SS aus dem KZ Flossenbürg, die das Lager verwaltete, dafür und beutete die Arbeitskraft der Jüdinnen unter unmenschlichen Bedingungen aus.“ Hunger, Krankheiten, schwere und schwerste Erkältungen, Todesangst wegen der Luftangriffe und willkürliche Gewalt von Seiten der Bewacher und Bewacherinnen seien an der Tagesordnung gewesen.

Alexander Schmidt beschloss seinen Beitrag mit den Worten: „Dass nach Magda Watts heute hier ein Weg benannt wird, hat sie und haben die anderen Insassinnen des Lagers mehr als verdient. Dies ist Errungenschaft einer Erinnerungskultur, die aber nur dann einen Sinn hat, wenn jenseits solcher symbolischen Akte auch eine Politik umgesetzt wird, die sich klar für Demokratie, für Vielfalt, für Menschrechte einsetzt und Position bezieht gegen autoritäre Regime, autoritäres Denken und gegen die Feinde unserer Verfassung. Zumindest dies sind wir Magda Watts, Ágnes Rózsa und den vielen anderen Verfolgten des Nationalsozialismus jetzt schuldig.“

Biografie/Buchtitel
In der Georg-Holzbauer-Mittelschule
Foto: Frank Hotze

Im Programm der Veranstaltung folgte als nächstes eine Lesung aus der Biografie von Magda Watts. Das Buch namens „Dafka“, das von Jennifer Resnick (Florida) herausgegeben wurde, ist bislang nur auf Englisch und in einer hebräischen Version erschienen. Ein besonderer Dank geht an Silvia Mergenthal, die für uns das fünfte Kapitel des Buches „Oktober 1944.  Nürnberg“ übersetzt hat. Aus diesem Kapitel suchte Nadja Bennewitz (Historikerin M. A.) Passagen für die Lesung durch drei Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Mittelschule heraus, die von ihr durch biografische Daten umrahmt und verbunden wurden.

Zehn Tage vor der Wegeinweihung trafen sich Nadja Bennewitz und die drei Schülerinnen in der Schule, um den Auftritt zu proben. Mit dem Klassenlehrer Herrn Schulze probten sie dann noch einmal mit entsprechender Audiotechnik. Ein herzlicher Dank geht an die drei Schülerinnen und die Schule insgesamt, besonders Herrn Schulze und dem Rektor Herrn Ottmann. Zu Recht hat die Schule auf ihrer Homepage stehen: „Die Beteiligung unserer Schülerinnen war eine wirkliche Bereicherung des Programms.“

Nadja Bennewitz mit drei Schülerinnen bei der Lesung

Hier einige Passagen aus der Lesung:

  • Im Herbst 1944 wurde sie dort Zeugin des Besuchs von einem Mitarbeiter der Firma Siemens-Schuckert, der in Auschwitz Arbeiterinnen zur Zwangsarbeit für sein Unternehmen in Nürnberg aussuchte. Er sei ein eleganter Mann gewesen, mit Wintermantel und einem Schal aus Seide bekleidet. So nahe sei er ihr gekommen, dass sie sogar sein After Shave habe riechen können.
  • Der Mann hatte 500 Frauen als Zwangsarbeiterinnen für die Siemens-Fabrik bestellt. Allerdings sah es so aus, als wäre ich nicht die Einzige, die sich in diesen Transport eingeschlichen hatte, denn als sie uns am Tor zählten, schickten sie mehr als 60 Mädchen hinter uns zurück. Sári und ich saßen in der letzten Reihe. Wir waren überglücklich, als sich die Tore nach unserer Abreise schlossen.
  • Wir kamen am 19. Oktober 1944 in Nürnberg an. Die Mädchen mussten mich aus dem Zug ins Arbeitslager tragen, weil meine Beine so erfroren waren, dass ich nicht darauf stehen konnte. Immerhin waren wir in einem Arbeitslager und nicht in einem Vernichtungslager angekommen.
  • Kurz nach ihrer Ankunft brannte die eine der beiden Baracken ab, sodass sich alle der ca. 500 gefangenen Frauen zum Schlafen in die eine Baracke zwängen mussten.
  • Dann wurde Magda krank, sie bekam eine Hautkrankheit, vor der alle Angst hatten: die Krätze.
  • Ich hatte nichts zu tun. Deshalb habe ich mit dem, was ich finden konnte, angefangen, eine Puppe zu machen. Ich bastelte ein kleines Schulmädchen. Ich lag auf meiner Pritsche, als die Stubenälteste mit dem Essen hereinkam. Ich sagte zu ihr: „Gib mir zwei Portionen, eine für mich und eine für mein Baby.“ Sie bat mich, es ihr zu zeigen. Sie war ein niederländisches Mädchen, nicht viel älter als ich, und sie wollte mir die Puppe wegnehmen. Ich sagte zu ihr: „Ich mache dir eine Puppe, wenn du mir Suppe von unten gibst.“ Sie antwortete: „Mach mir eine Puppe, und ich gebe dir jeden Tag mehr zu essen.“ Das war der Beginn meiner Puppenmacherkarriere.

Nach diesem Beitrag ging es vom bisherigen Standort zum Weg selber und dort zum noch verhüllten Straßenschild. Einige der an der Veranstaltung Beteiligten zogen an den Schnüren der Husse und machten damit den Magda-Watts-Weg offiziell erkennbar. Diesen Weg sollen, so wurde uns berichtet, bereits zwei Monate vor der offiziellen Einweihung Wandernde auf dem Jakobsweg gesucht haben.

Das Schlusswort hielt der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Karl Freller. Er machte deutlich, dass ihm, als er im Jahr 2008 das Amt übernommen hatte, nicht bewusst war, dass das KZ Dachau 120 Außenlager und das KZ Flossenbürg 90 Außenlager hatte. Ihm ist es ein großen Anliegen, dass diese Außenlager sichtbar werden und an sie erinnert wird. Im Zusammenhang mit dem Namen einer Frau bei diesem Weg schilderte Herr Freller seinen Eindruck, dass über viele Männer, die tapfer waren, gesprochen werde aber zu wenig über die Frauen, die sich gleichermaßen eingebracht und leider auch oft das Leben geopfert hätten. Deswegen appellierte er an bayerische Bürgermeister und Landräte, bei neuen Straßen an die Frauen im Widerstand zu denken und diese zu ehren. Der Magda-Watts-Weg sei ein ideales Beispiel, was sich diesbezüglich machen lässt.

Unter viel Applaus verwies der Stiftungsdirektor aber auch auf Straßennamen, die längst umbenannt gehörten und einen besseren Namen, den einer Frau erhalten könnten. Als ein Beispiel nannte er den Mann, der Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte, Hindenburg. Keine zwei Monate später sei das KZ Dachau eröffnet worden. „Das waren keine zwei Monate, wo aus einer Demokratie eine Diktatur wurde.“ Dies müsse eine Mahnung sein, sagte Herr Freller auch mit Blick auf eine rechtsextreme Partei in Deutschland. Es sei an uns allen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Er findet es richtig, dass wir zu Magda Watts, zu ihrer Geschichte und zu dessen Wahrnehmung stehen. Abschließend dankte er allen Beteiligten und wünschte, dass der Weg oft und häufig genannt wird und damit auch die Frau Magda Watts.

Nach dem offiziellen Teil gab es noch viele Gespräche und einige Gruppen nutzten die Gelegenheit zu einem Foto beim neuen Straßenschild zusammen mit einem Reprint des Gemäldes von Magda Watts, welches die Tochter Hanna Watts im Jahr 2005 gemalt hatte.

Allerdings gab es auch einige „Aufreger“. Manche Dinge können passieren, andere sollten besser nicht vorkommen. Zu ersteren gehörte, dass das Straßenschild am hinteren Ende des Weges auf der Rückseite falsch herum bedruckt war. Derzeit wird das Schild getauscht.

UND Danach?!

Begrüßen konnten wir bei der Wegeinweihung auch OStRin Barbara Raub vom Paul-Pfinzing-Gymnasium in Hersbruck. Sie initiiert und begleitet an der Schule viele Erinnerungsprojekte wie in diesem Beispiel. Im Nachgang erzählte sie im Unterricht der Klasse 6a des Schuljahres 2024/2025 von der Wegeinweihung und die Schülerinnen und Schüler wollten uns Herzen basteln, die versehen sind mit dem ersten Satz im Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Diese Herzen geben wir gerne bei unseren Veranstaltungen weiter und bedanken uns ganz herzlich bei der Klasse 6a des Paul-Pfinzing-Gymnasiums und Barbara Raub. Es zeigt sich dabei, wie wertvoll Vernetzung unterschiedlicher Initiativen, Einrichtungen etc. immer wieder sein können.

Foto: Frank Hotze

Hier noch Links zu einigen Beiträgen:
https://www.linkedin.com/posts/stiftung-bayerische-gedenkstaetten_niewieder-geradejetzt-activity-7353351310181642240-pq6b
https://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/video/der-magda-watts-weg-weg-wuerd-nach-einer-juedischen-ueberlebenden-benannt
IG Metall unterstützt Einweihung des Magda-Watts-Weges …
https://www.nuernberg.de/presse/mitteilungen/pm_25825.html
https://www.facebook.com/DokumentationszentrumReichsparteitagsgelaende/?locale=de_DE
https://www.instagram.com/p/DMN0vHENtwH
https://www.instagram.com/p/DMNeygyNppZ/
https://ghbhs.de/uncategorized/wegeinweihung-magda-watts-weg/


Einladung zur Einweihung des Weges

Hier kann der Einladungsflyer auch heruntergeladen werden.


Magda-Watts-Weg beschlossen

Der Bunte Tisch Gartenstadt begrüßt die Entscheidung des Verkehrsausschusse der Stadt Nürnberg, der in seiner Sitzung am 16. Januar 2025 beschlossen hat, einen Fußgängerweg im Umfeld des früheren KZ-Außenlagers am Südfriedhof nach der Jüdin Magda Watts zu benennen. Damit wird nach dem Beschluss der Verkehrsausschusses von Ende 2023, einen Weg nach Ágnes Rózsa zu benennen und der Einweihung des Weges am 19. April 2024 unter der Federführung des Bunten Tisches sowie der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion, nun eine weitere Zwangsarbeiterin aus dem Lager gewürdigt.

Magda Watts, geboren 1929 in Birkenkirchen, Ungarn, wurde 1944 nach Ausschwitz deportiert und von dort nach Nürnberg gebracht, um dort im früheren KZ-Außenlager der Siemens-Schuckert-Werke, dem sogenannten Südfriedhoflager zu arbeiten. Einer Einladung zur Einweihung der Informationsstelen im Mai 2019 konnte sie nicht mehr folgen. Am 31. März 2019 verstarb sie in Eilat.

Zum Beschluss des Verkehrsausschusses erschien am 25. Februar 2025 eine Pressemitteilung der Stadt Nürnberg.

Auch der Bunte Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd meldete sich gemeinsam mit der Stadtratsfraktion B‘90/DIE GRÜNEN, die den Antrag zur Wegbenennung in den Stadtrat eingebracht hatten, zu Wort. Mehr Infos sind in der gemeinsamen Pressemitteilung zu finden.

Der Bunte Tisch plant nun – wie schon beim Ágnes-Rózsa-Weg – eine würdevolle Einweihung des Weges, der von der Julius-Loßmann-Straße zur Johann-Krieger-Straße führt.


Antrag an den Oberbürgermeister

Die Benennung eines Weges nach Ágnes Rózsa bringt einen wichtigen Erinnerungsort in den Stadtteil. Gleichwohl waren wir vom Bunten Tisch der Meinung, dass es weitere Menschen gibt, die zu Zwangsarbeit in dem Lager waren, die ebenso in Erinnerung bleiben sollten. Réka Lörincz hat mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Überlegung aufgegriffen und bei der Stadt einen Antrag eingereicht, den wir unterstützen.

Hier der Antrag als pdf.


Einweihung vom Ágnes-Rózsa-Weg

Alle Fotos dieses Beitrags sind von Emmi Heckel

Am Freitag, den 19. April 2024, 14.30 Uhr
fand die gemeinsame Veranstaltung vom Bunten Tisch mit der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg und der Stadt Nürnberg statt.
Julius-Loßmann-Straße, 90469 Nürnberg
bei den Gedenk- und Informationstafeln zum ehemaligen KZ-Außenlager
der Siemens-Schuckertwerke in Nürnberg
Hier steht die Einladung als pdf zur Verfügung.

Am 19. April 2024 war es soweit: nachdem der Verkehrsausschuss der Stadt Nürnberg im Oktober 2023 den Beschluss zum Ágnes-Rózsa-Weg gefasst hatte, wurden nun die Schilder für den Weg angebracht und der Weg eingeweiht.

Trotz des verregneten Wetters fand die gutbesuchte Veranstaltung (ca. 60 Teilnehmer*innen) in einem würdevollen Rahmen im ersten Teil direkt an den bereits gut bekannten Stelen des früheren KZ-Außenlagers und im zweiten Teil am Beginn des Weges in der Julius-Loßmann-Straße statt. Die Veranstaltung war vom Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd und der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg vorbereitet worden. Die Stadt Nürnberg beteiligte sich als dritter Veranstalter an diesem Termin, der fast fünf Jahre nach der Einweihung der Stelen stattfand.

Viele Regenschirme zierten das Bild, als Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule, die das Programm moderierten, die Anfangsfrage an Dr. Alexander Schmidt vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände richteten. Sie baten ihn um Insiderwissen zu dem früheren KZ-Außenlager. Dr. Schmidt leitete ein: „Trotz ihrer Verzweiflung und der menschenverachtenden Lebensbedingungen, unter denen sie hier im KZ-Außenlager der Siemens-Schuckert-Werke gefangen gehalten wurde, war Ágnes Rózsa ein mutiger Mensch. Dass nach ihr heute ein Weg unmittelbar beim Gelände des KZ-Außenlagers benannt wird, ist eine späte, aber eine sehr schöne Würdigung …“. Er wies darauf hin, dass an keinem anderen Ort in Nürnberg so direkt, aber zunächst auch so wenig sichtbar, mit Auschwitz verbunden sei wie im Nürnberger Süden. Alexander Schmidt weist dann auf die Rolle der Siemens-Schuckertwerke hin: „Es war den Siemens-Schuckertwerken letztlich gleichgültig, woher die Arbeitskräfte kamen, die sie für die Rüstungsproduktion brauchten. Als sie im Mai 1944 den Bauantrag für das Lager hier gegenüber dem Südfriedhof stellte, war noch nicht klar, wie es belegt sein würde und war schlicht als „Barackenlager der Siemens-Schuckert-Werke“ bezeichnet.“ Er fährt fort: „Siemens nahm an Arbeitskräften, was man bekommen konnte. Die Jüdinnen aus Auschwitz waren nur eine Gruppe von zahlreichen Fremd- und Zwangsarbeitern und –arbeiterinnen, die bei Siemens und den vielen anderen Nürnberger Betrieben arbeiten mussten. Dass diese nicht freiwillig in Nürnberg bei Siemens-Schuckert arbeiteten, ist ebenfalls schon aus dem Bauplan ablesbar.“ Zwar seien die Verhältnisse im Vergleich zu Auschwitz-Birkenau im „Südfriedhoflager“ besser gewesen, aber: „die Frauen und Mädchen waren weiterhin gefangen im System der Konzentrationslager und den Regeln unterworfen, die in diesem System letztlich auch in den Außenlagern herrschten.“ Mehrfach zitierte er aus der deutschen Übersetzung des Tagebuchs von Ágnes Rózsa, das im Jahr 2006 im Verlag testimon erschien und würdigte dabei auch Gerhard Jochem und Monika Wiedemann, die maßgeblich für die deutsche Ausgabe „Solange ich lebe, hoffe ich“ verantwortlich sind. Am Ende seines Beitrags vermerkt Dr. Schmidt: „Nach Ágnes Rózsa wird heute hier, am Ort ihrer Haft in Nürnberg, ein Weg benannt. Endlich im Jahr 2024. Sie hat dies mehr als verdient.“

Im Anschluss konnten die Schülerinnen und Schüler den Oberbürgermeister Marcus König begrüßen. Er führte u. a. aus: „Die Benennung eines Wegs nach Ágnes Rózsa in unmittelbarer Nähe zu dem Ort, an dem sie so viel Grauen zu ertragen hatte, ist ein wichtiges Zeichen der Erinnerungskultur. Es hilft ein Bewusstsein für das Unrecht zu schaffen, das sich vor 80 Jahren an diesem Ort zugetragen hat.“ Seinen Worten konnte dann entnommen werden, dass es durchaus weitere Wege als Erinnerungsorte in der Umgebung geben könne. An seine eigene Generation wie aber auch die der Schülerinnen und Schüler gewandt sagte OB König: „Wir und Ihr seid nicht schuld,“ aber alle hätten die Verantwortung, die Namen nicht zu vergessen.

Dr. Michael Fraas

Die Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule hatten sich bereits im Ethikunterricht mit dem früheren KZ-Außenlager und Ágnes Rózsa beschäftigt. Von daher wussten sie auch dass Dr. Michael Fraas in seiner Zeit als Wirtschaftsreferent die Wegbenennung in die Wege geleitet hatte. Sie fragten Dr. Fraas nach seinem Beweggrund. Réka Lörincz hatte mit ihm, so Dr. Fraas, einige Male über so einen Erinnerungsort gesprochen. Für den notwendigen Hintergrund hatte dieser von ihr das Tagebuch von Ágnes Rózsa sowie die Dokumentation zum früheren KZ- Außenlager erhalten und intensiv gelesen. Gerade das Tagebuch habe ihn sehr bewegt. Die präzisen Formulierungen im Buch während der Zeit der Zwangsarbeit seien außergewöhnlich.

Frank Hotze

In der Kurzfragerunde steuerten die Schülerinnen und Schüler nun auf Frank Hotze aus dem Vorstand vom Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd zu. Er spann den Bogen von diesem Weg zu weiteren Wegen: „Für uns ist die Entscheidung der Stadt Nürnberg für diese Wegbenennung eine wichtige Ergänzung zu den seit 2019 stehenden Stelen und wir unterstützen den Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen an die Stadt, weitere Wege in diesem Umfeld nach Menschen zu benennen, die in diesem Lager gefangen gehalten wurden.“

Dr. Andrea Heilmaier

Nächste in der Fragerunde war Frau Dr. Andrea Heilmaier, die aktuelle Wirtschaftsreferentin. Sie wurde gefragt, ob sie sich weitere Wegbenennungen vorstellen könne und wie das Verfahren dazu sei. Das Verfahren, so Dr. Heilmaier, mit Prüfung u. a. im Stadtarchiv muss erfolgen, sobald der vor kurzem eingegangene Antrag stadtintern auf dem Weg gebracht wird. Für die Wirtschaftsreferentin ist mit der Benennung des Wegs nach Ágnes-Rózsa ihr Name an dem Ort, der für immer untrennbar mit ihr verbunden sei, sichtbar.

Nadja Bennewitz und Réka Lörincz

Nach den drei Kurzinterviews baten die Schülerinnen und Schüler der Georg-Holzbauer-Schule die Anwesenden sich nun in Richtung des Weges zu begeben. An dem Pfosten mit dem noch verdeckten Schild für den Weg lehnte eine Staffelei mit einer Tafel zu Ágnes Rózsa, die im Jahr 2022 im Rahmen einer Ausstellung des Bunten Tisch im Kulturladen Gartenstadt zu sehen war. Umrahmt wurde die Tafel von Nadja Bennewitz und Réka Lörincz. In einer szenischen Betrachtung über Ágnes Rózsa und ihre Aufseherinnen brachten sie den Anwesenden die Situation in dem damaligen KZ-Außenlager näher. Nach einigen Eckdaten zur Person Ágnes Rózsa stellten sie im Wechsel Tagebuchauszüge von Ágnes Rózsa den Aussagen der Aufseherin Anni E. gegenüber, eine Frau, die auch nach dem Krieg noch davon überzeugt war, nichts Unrechtes getan zu haben. Auch ohne den Regen an dem Tag, können einem solche Aussagen einen eiskalten Schauer am Rücken verursachen.

Nach kurzem Innehalten war es dann so weit. Etliche Anwesende beteiligten sich beim Herunterziehen der Husse und somit der eigentlichen Wegeinweihung.

Karl Freller

Das Schlusswort ging an Karl Freller, dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Die Schülerinnen und Schüler fragten ihn, wie wichtig ihm die Erinnerungsarbeit ist und welche Bedeutung er ihr in der heutigen Zeit beimisst. Herr Freller verwies auf über 90 Außenlager des KZ Flossenbürg. So viele Lager wie auch das Lager am Südfriedhof waren nicht unsichtbar. Zäune, Türme und Bewachung seien sichtbar gewesen. Auch heute müssen immer wieder darauf hingewiesen werden und deswegen seien solche Erinnerungsorte wie dieser Weg für die Gegenwart und Zukunft wichtig. Neben der Wichtigkeit weiterer Wegbenennungen verwies er auch auf die Tatsache, dass es in Nürnberg Wege und Straßen geben könnte, die nach wie vor nach historisch belasteten Persönlichkeiten benannt sind.

Die Schülerinnen und Schüler bedankten sich bei den Anwesenden und Beteiligten und sprachen sich abschließend aus aktuellem Anlass gegen Rassismus und Faschismus aus.

Trotz des Regens gab es noch einige Gespräche unter den Anwesenden, die aus der Nachbarschaft aber auch anderen Stadtteilen kamen. In Gedanken waren nach der Veranstaltung auch die beiden anwesenden Vorstände der Schuckert Wohnungsgenossenschaft. Der Blick auf die jetzige Bebauung in Kontrast mit dem gehörten Hintergrund zum früheren KZ-Außenlager der Siemens-Schuckertwerke fiel ihnen nicht ganz leicht.

Danke an die beteiligten Schülerinnen und Schüler der V1 der Georg-Holzbauer-Schule – Kulturladen Gartenstadt für die Technik und Unterstützung – St. Ludwig, Kirche im Nürnberger Süden für Technik – Wohnungsgenossenschaft „Sigmund Schuckert“ eG

Filmische Anordnung: Emmi Heckel

Film: Bogi Nagy


Am 26. Oktober 2023 erschien in den Nürnberger Zeitungen ein Beitrag unter dem Titel „Hunger und Elend im Lager“. Darunter war vermerkt: „GARTENSTADT Neuer Straßenname erinnert an die jüdische Zwangsarbeiterin und Autorin Ágnes Rózsa“. Der Artikel selber beschäftigte sich sehr intensiv mit Ágnes Rózsa, zitierte dabei aber vorrangig aus einer Entscheidungsvorlage des Verkehrsausschusses des Nürnberger Stadtrates. Dass die Zeilen aus der Vorlage zitiert wurden und wie es überhaupt zu dem letztendlichen Beschluss gekommen ist – keine Zeile.

Schon vor geraumer Zeit hatte Réka Lörincz, Mitglied der Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Intension einer Straßenbenennung nach Ágnes Rózsa insbesondere beim dem früheren Wirtschaftsreferenten Michael Fraas gestartet. Am Rande der Parkeinweihung vom NSU-Opfer Abdurrahim Özüdoğru im April 2023 konnten Réka Lörincz und Frank Hotze, Vorstandsmitglied vom Bunten Tisch diesen Vorschlag noch einmal ins Gespräch bringen. Dadurch wurde von Herrn Fraas das Prüfverfahren auf den Weg gebracht und im Oktober der Beschluss im Verkehrsausschuss gefasst. Es ist allerdings keine Straße geworden, sondern lediglich ein Weg, der direkt am früheren Gelände des KZ-Außenlagers angrenzt und neben dem früheren Roxy-Kino Richtung Paumannstraße führt.

Es wird nun Gespräche geben, um die Einweihung des Weges zu überlegen und planen.

Um den Hintergrund zur Entstehung des Beschlusses zu verdeutlichen wurde am 2. November von der Stadtratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem Bunten Tisch Gartenstadt und Siedlungen Süd eine Pressemitteilung verteilt.